Interview der Online Redaktion der Offenen Akademie mit Mitgliedern der Koordinierungsgruppe zur Vorbereitung des studierendenpolitischen Ratschlags 2./3. Dezember 2023

Frage: Am 29. Mai hat ein Info- und Vorbereitungstreffen für den studierendenpolitischen Ratschlag in Thüringen stattgefunden. Warum bereitet ihr solch einen Ratschlag vor? Was ist euer Anliegen?

Lena: Die meisten Studierende sind vom Krisenchaos direkt betroffen. Sie erfahren eine wachsende Armut, steigende Mietpreise in Großstädten, eine gravierende Inflation, Arbeitshetze in schlecht bezahlten Nebenjobs. Allgemein wirkt eine zunehmende Militarisierung der Gesellschaft und nicht zuletzt die ersten Vorboten der drohenden globalen Umweltkatastrophe, auf die wir alle dank dieses imperialistischen Weltsystem zusteuern. Die Universitäten sind nicht darauf ausgerichtet, Lösungen für die bestehenden Menschheitsprobleme zu entwickeln, sondern durch ihre finanzielle Abhängigkeit von Drittmitteln und ihrer ideologischen Ausrichtung, letztendlich systemkonforme, bürgerliche Denkfabriken.

Immer mehr Studierende sind sich dieser Tatsache bewusst und werden aktiv in sozialen Bewegungen. Sie protestieren aktiv für Klimaschutz, gegen Kriegshetze, Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und Sexismus. Jedoch gibt es noch wenig Aktivität im Kampf für bessere Studienbedingungen. Und es stellt sich die Frage, was geschehen muss, dass wir zu einer gesellschaftsverändernden Kraft werden. Zusätzlich müssen ganz praktische Fragen beraten und gelöst werden, wie z.B. der strukturell bedingten Zerreißprobe zwischen Arbeit, Aktivismus und Studium. Bei vielen führt dies dazu, dass sie entweder gar nicht aktiv werden wollen oder ihr Studium vernachlässigen.

Tristan: In den ganzen Bewegungen und Organisationen stecken unzählige Erfahrungen, wie man praktisch etwas verändern kann. Einen breiten, überparteilichen Erfahrungsaustausch unter Studierenden gibt es aber schlichtweg nicht. Das werden wir ändern und damit noch über die Unis hinaus gehen. So strecken wir auch die Hand nach der Arbeiterbewegung aus. Die hat in den letzten Tarifverhandlungen mal wieder Kampfgeist und Organisationstalent gezeigt. In vielen Punkten hat die Masse der Studierenden ganz ähnliche Interessen, wenn man sich z.B. den Kampf gegen die steigenden Preise ansieht. Wir können auch viel lernen durch einen gegenseitigen Austausch mit Studierenden aus anderen Ländern. In Frankreich treten sie ja schon mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein gegen die Regierung auf und im Iran trotzen sie teilweise dem faschistischen Regime.

Frage: Was sind die konkreten Ziele des Ratschlags?

Jens: Der Ratschlag wird was Einmaliges in der Bundesrepublik. Selten gibt es Orte wo Studierende und kritische Wissenschaftler sich austauschen können und voneinander lernen. Seit vielen Jahren wird an den Unis und Hochschule jegliche politische Betätigung, die nicht nur Hochschulpolitisch ist, unterdrückt. Dabei sind Studierende in den Vergangen Jahren oft vorne dran gewesen bei fortschrittlichen Protesten, ob bei Fridays for Future oder bei Antifa-Protesten. Der Ratschlag soll helfen, die Funkstille in den Hochschulen zu durchbrechen. Die Unis müssen zu Orten werden wo informiert und gestritten wird über alle Lebensfragen, die Lehrinhalte, besonders muss auch Raum sein über Alternativen zu diesem Kapitalismus auf Augenhöhe und ohne geistige Bevormundung zu diskutieren. Wir orientieren uns auch an anderen Ratschlägen, wie dem frauenpolitischen Ratschlag, der zu dem Forum der Entwicklung einer kämpferischen Frauenbewegung in Deutschland wurde. Ähnlich wie dort können wir uns auch vorstellen, dass es regelmäßig Studierendenpolitische Ratschläge geben wird. Wir wollen den überparteilichen Zusammenschluss unter den Studierenden stärken.

Frage: Was wurde konkret auf dem Vorbereitungstreffen in Thüringen diskutiert?

Sayamand: Der Großteil der Diskussion ging um Themen und Perspektiven, die im Ratschlag behandelt werden sollten. Die Teilnehmenden berichteten über die Themen und Sorgen, die unter ihren Kommilitonen vorherrschend sind. Es wurde herausgestellt, dass es einen großen Diskussionsbedarf zu verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Themen gibt, von den Studienbedingungen über die soziale Lage der Studierenden bis hin zur globalen politischen Situation und dem Wirtschaftssystem. Darüber hinaus wurde es diskutiert, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den Studieninhalten und ihrer Rolle bei der Verbesserung der Gesellschaft und der Verwirklichung alternativer Gesellschaftsformen notwendig ist. Für welche Welt wollen wir eigentlich studieren? Und wie soll das gehen? Das war gewissermaßen der rote Faden der Diskussion. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass der Ratschlag eine Plattform für die Diskussion dieser und anderer Themen sein sollte.

Der zweite Diskussionspunkt war die Gewinnung weiterer Organisationen und Einzelpersonen als Träger. Dies sollte sich nicht nur auf Studenten beschränken, sondern wir suchen nach Unterstützern von Akademikern, Künstlern und Vertretern der Arbeiter-, Frauen- und Umweltbewegung. Wir haben beschlossen, dass dieser Prozess bis zum nächsten bundesweiten Vorbereitungstreffen im Juli intensiv vorangebracht werden soll.

Frage: Wie soll die weitere Vorbereitung laufen und wie können weitere Interessierte mitmachen?

Franziska: Noch mehr Studierende, aber auch Mitarbeiter an den Unis, Organisationen oder Professoren sollen Träger des Ratschlags werden. Meldet euch dazu gerne bei der Koordinierungsgruppe! Setzt euch dafür ein, dass die Organisationen, in denen ihr mitarbeitet, den Ratschlag unterstützen und an der Vorbereitung mitarbeiten. Wir machen regelmäßige Treffen per Videokonferenz, dazu könnt ihr euch gern an uns wenden. Kommt vor allem zum bundesweiten Vorbereitungstreffen aller Unterstützer und Interessierten am 16. Juli 2023 von 11-16 Uhr
Kulturwissenschaftliches Zentrum (KWZ) Heinrich-Düker-Weg 14 Raum KWZ 0.602, 37073 Göttingen

Einladung als pdf

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