Von Christian Jooß und Josef Lutz

Auch wenn auf Grund der Desinformationspolitik der japanischen Regierung und des Atomkonzerne Tepco viele Einzelheiten im Moment unklar sind, deutet sich doch an, dass es sich um die größte Reaktorkatastrophe in der Geschichte handelt. Es ergibt sich, bei aller Vorsicht angesichts unzureichender Informationen, vorläufig folgendes Bild:

  • In Reaktorblock 2 in Fukushima hat die Kernschmelze bereits früh den Reaktor-Druckbehälter durchfressen, der Kern ist gegenwärtig dabei, sich durch das Betonfundament zu fressen.
  • Mindestens zwei weitere Reaktorblöcke sind von Kernschmelze betroffen, es kann auch hier der Kern bereits den Reaktor-Druckbehälter verlassen haben.
  • In  Abklingbecken in den Reaktorgebäuden lagern abgebrannte Brennelemente, die große Mengen an radioaktiven Spalt- und Brutprodukten enthalten, sowie abgebrannte Mischoxid-Brennelemente mit großen Mengen an Plutonium. Die Brennelemente konnten nicht immer gekühlt werden, wodurch sie in mindestens einem Fall zu brennen begannen. Der Zustand der Brennelemente ist in mehreren  Abklingbecken unbekannt,  kritisch scheint  er insbesondere bei Reaktorblock 4. Es besteht weiter die Gefahr einer unkontrollierbaren Freisetzung großer Mengen an hoch radioaktiven Stoffen.
  • Die Gesamtmenge des radioaktiven Inventars in Fukushima ist ca. 120 mal so groß wie in Tschernobyl, so dass die Menge an radioaktiven Stoffen, die freigesetzt werden kann, die von Tschernobyl um Größenordnungen überschreiten könnte.
  • Die radioaktive Aktivität in einem Umkreis bis zu 100km um Fukushima erreicht, so einzelne Messungen, in einigen Zonen die der Sperrzone von Tschernobyl.
  • Wird einer oder mehrere Reaktorkerne als heiße und extrem strahlende Mischung aus Uran, Stahl, Plutonium, Cäsium und anderen Spaltprodukten den Reaktor-Betonboden durchfressen und Kontakt mit dem Boden und Grundwasser erhalten, drohen sowohl  weitere Knallgasexplosionen und Freisetzung radioaktiver Brut- und Spaltprodukte in die Atmosphäre, als auch eine weiträumige Verseuchung des Grundwassers.
  • Die Verseuchung des Pazifik breitet sich aus. Die Werte in einigen hundert Meter Abstand vom Reaktor waren Ende März bereits höher als in den Flüssen Pripiat und Dniepr nahe am Reaktor von Tschernobyl im Jahr 1986.
  • Nach Messungen eines Greenpeace Team vom 11.4.2011 sind Lebensmittel in einem weiten Umkreis um Fukushima verseucht. Die japanische Regierung wiegelt ab.

Die Konsequenzen für Millionen von Menschen in Japan, für die Zukunft des Landes, den Wiederaufbau, aber auch für die Ökosysteme auf Land, in der Luft und im Wasser werden erst in den nächsten Monaten sichtbar werden. Schon jetzt ist es notwendig, einen Umkreis von 100 km um Fukushima zu räumen, um nicht das Leben und die Gesundheit von 100.000enden von Menschen zu gefährden.  Es droht hohe Gefahr für den Großraum Tokio mit über 35 Millionen Menschen.

Tepco und die japanische Regierung hält trotzdem an der weiteren Nutzung der Atomkraft fest und betreibt auch andere von dem Erdbeben beschädigte Reaktoren, wie z. B.  Hamaoka, unweit von Tokio. Der französische Präsident Sarkozy hat nichts Besseres zu tun, als nach Japan zu reisen und die weitere Lieferung der hochgefährlichen MOX Brennelemente zu vereinbaren. Nachdem Tepco erklärt hat, dass es pleite ist, betreibt die japanische Regierung die Verstaatlichung des Konzerns, um die gigantischen Folgekosten der Atomkatstrophe auf die Gesellschaft abwälzen zu können.

Der weltweite Kampf für die sofortige Stilllegung aller ca. 400 derzeit in Betrieb befindlichen AKWs und dem Stopp von Neubauten muss daher mit enormer Kraft, Hartnäckigkeit und Breite geführt werden. Die Desinformationskampagne der der japanischen Regierung im Bündnis mit den internationalen Atomkonzernen  und deren Organisationen, wie der IAEA, muss durchbrochen werden. Wir sind solidarisch  mit der japanischen Bevölkerung und mit der japanischen Anti-Atombewegung. Wir brauchen einen international verbundene Bewegung und eine feste Solidarität.

Prof. Dr. Josef Lutz ist Professor für Leistungselektronik an der TU Chemnitz.
Prof. Dr. Christian Jooß ist Professor für Materialphysik an der Universität Göttingen.


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