Auf allen Stufen der Bergungs- und Aufräumarbeiten werden große aber bisher nicht erfasste Mengen an Tritium und C-14 (Radikohlenstoff) emittiert. Diese beiden Radionuklide stammen zum Teil aus den aktivierten Strukturelementen der zerstörten Reaktoren, zum größeren Teil werden sie durch die von den gelagerten bestrahlten Brennelementen ständig ausgehende Neutronenstrahlung durch Aktivierungsprozesse im Luftraum gebildet. Hier kommt besonders die Umwandlungsreaktion des Stickstoffs der Luft zu C-14 als dominierende Quelle infrage. Diese Aktivierungsprodukte werden durch den bei den Räumungsarbeiten aufgewirbeltem Feinstaub und durch CO2 über weite Landstriche transportiert.

Radiokohlenstoff verbindet sich unmittelbar nach seiner Entstehung mit dem Sauerstoff der Luft zu 14CO2 (also zu radioaktivem Kohlendioxid). Für den Aufwuchs unverzichtbar, wird dieses radioaktive Kohlendioxid wie gewöhnliches bei der Photosynthese von den Pflanzen aufgenommen. Über die Nahrungskette aber auch über die Atemluft gelangt Radiokohlenstoff in die Biokreisläufe.

Etwa jedes zehnte Atom im menschlichen Körper ist ein Kohlenstoffatom. Der Anteil in wichtigen Biomolekülen (DNA etc.) ist erheblich höher. Durch das in die Körpersubstanz eingebaute C-14 (ein Betastrahler) werden Organteile ständig radioaktiv bestrahlt. Der Unterschied zur äußeren Bestrahlung beruht in erster Linie auf dem Verteilungsmuster innerhalb der Körperstruktur sowie auf bestimmten körpereigenen Verbindungen und deren Metabolismus. Insbesondere für Tritium und C-14 liegen dazu umfangreiche Untersuchungen vor
Einmal in die Biokreisläufe gelangt wird sich C-14 wegen der langen Halbwertszeit (5700 Jahre) bei bleibender Nachlieferung ständig anreichern.

Aus den vorliegenden Daten über Bildungsraten und aus den jüngeren Erkenntnissen über die ökologischen Wirkungsketten wird ersichtlich, dass C-14 für die Lebenswelt als gefährlichstes Radionuklide zu gelten hat.
In Japan – aber auch bei uns – wird im amtlichen Strahlenschutz die besondere biologische Wirksamkeit von Radiokohlenstoff und Tritium hoch unterschätzt. Würden die Aufsichtsbehörden die seit mehr als 50 Jahren bekannten Risiken akzeptieren, so wären sie gezwungen, alle kerntechnischen Anlagen umgehend stillzulegen.

Rolf Bertram, 2. März 2016


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