Die „Offene Akademie – Fortschrittliche Wissenschaft“ solidarisiert sich mit Professor Dr. Rainer Frentzel-Beyme
Wir protestieren hiermit gegen die Unterstellung des ehemaligen PCB-Entsorgers Envio aus Dortmund, unser Mitstreiter Professor Dr. Rainer Frentzel-Beyme sei befangen und als Sachverständiger vom Gericht abzulehnen! Der Geschäftsführer von Envio, Dr. Dirk Neupert, ist von der Staatsanwaltschaft der Körperverletzung von 51 Arbeitern sowie schwerer Umweltverstöße angeklagt. PCB ist stark krebserregend, und im Blut der Envio-Arbeiter wurden extrem hohe Werte davon gemessen. Auf der Offenen Akademie 2011 hatten ein Entsorgungsfachmann und ein betroffener Arbeiter eingehend darüber berichtet (siehe Dokumentation 7. Offene Akademie 2011). Die Verteidigung von Envio hatte nun beantragt, den von der Staatsanwaltschaft bestellten Sachverständigen Professor Frentzel-Beyme, der Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Offenen Akademie ist, wegen Befangenheit abzulehnen.
Die Verteidigung begründete das mit der Teilnahme von Rainer Frentzel-Beyme an einer Veranstaltung „Umweltpolitischer Ratschlag“ vom 8./.9. Oktober 2011. Der Veranstalter des „2. Umweltpolitischen Ratschlags“ hatte dort ausgeführt, dass Firmen wie „ Envio in Dortmund für zahlreiche Unternehmen stehen, in denen auf menschenverachtende Weise die Gesundheit und das Leben der Arbeitskollegen billigend aufs Spiel gesetzt werden, um Maximalprofite zu erreichen.“
Dazu stellen wir fest:
· die getroffene Aussage ist eine Wertung von Tatsachen. Und die Verteidigung Envios müsste diese Wertung widerlegen. Wie soll ihr das gelingen?
· ein Referent einer Veranstaltung ist nicht haftbar für Äußerungen des Veranstalters. Sollte dies durchkommen, wäre das eine empfindliche Einschränkung für Wissenschaftler, an Veranstaltungen kritischer Initiativen teilzunehmen.
Auf dem besagten 2. Umweltpolitischen Ratschlag referierte unser Mitstreiter Professor Frentzel-Beyme im Übrigen gar nicht zum Thema Envio. Er hielt vielmehr ein Referat zum Thema »Giessereiabgase und Umweltbelastung«, in dem er unter anderem eine kaum bekannte Studie des Deutschen Krebsforschungsinstituts an 32 500 ausländischen und deutschen Gießereiarbeitern vorstellte. Das Video zu seinem Vortrag kann auf der Homepage des Umweltratschlags heruntergeladen werden.
Ganz ähnlich erging es Prof. Thomas Kraus, dem Leiter des Instituts für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin an der Universität Aachen. Dieser hatte einst über 300 Envio-Arbeiter sowie Anwohner aus der Nachbarschaft des ehemaligen PCB-Entsorgers auf PCB-Spuren im Blut untersucht. Auch gegen ihn wurde von der Verteidigung Envios ein Antrag auf Befangenheit gestellt. Es ist notwendig, dass wir uns grundsätzlich zu dem unglaublichen Vorwurf der „Befangenheit“ äußern. Viele Kollegen stehen in ihrer Forschung in Abhängigkeitsverhältnissen von Drittmitteln aus Großunternehmen. Unser Beiratsmitglied Rainer Frentzel Beyme hat in der Vergangenheit mehrfach für Großkonzerne unangenehme Dinge aufgedeckt und sich nicht davon abhalten lassen, dies zu publizieren. Dafür musste er des Öfteren persönliche Nachteile in Kauf nehmen. Er hat sich gegen die Gefährdung von Mensch und Natur gewandt und sich für den Schutz von Mensch und natürlicher Umwelt eingesetzt. Damit hat er die Interessen der der breiten Bevölkerung vertreten! Wer ist also hier in einer Sache der Gesundheitsgefährdung befangen?
Die Befangenheit der Wissenschaftler durch ihre Abhängigkeiten von Forschungsmitteln wird viel zu wenig problematisiert. Viele sind sich der Abhängigkeiten und deren Auswirkung auf ihre Bewertungen gar nicht bewusst. Viele Wissenschaftler, darunter Dozenten und Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der Offenen Akademie, waren und sind auch Mobbing und offener Unterdrückung ausgesetzt, wenn sie für Firmen und Behörden unbequeme Tatsachen an die Öffentlichkeit brachten. Solchen Wissenschaftlern, zu denen auch Prof. Dr. Frentzel-Beyme zählt, „Befangenheit“ zu unterstellen, nur weil sie nicht den Wünschen der Firmenleitung folgen, ist ein starkes Stück und ethisch nicht vertretbar.
Wir sichern Prof. Dr. Rainer Frentzel-Beyme und allen anderen betroffenen Wissenschaftlern unsere volle Solidarität und Unterstützung zu.