In den Medien wird nur noch selten von der Atomruine Fukushima berichtet und es wird das Bild vermittelt, das Schlimmste sei überstanden. In Wirklichkeit zeichnet sich eine enorme Gefahr ab, die gar das 85-fache des Ausmaßes der Atomkatastrophe von Tschernobyl annehmen kann. Sie geht von den Abklingbecken aus.
Abklingbecken als Lager für verbrauchte Brennelemente finden sich typisch bei Atomkraftwerken. Angesichts fehlender Endlager werden sie als Zwischenlager für verbrauchte Brennelemente verwendet. Das ist in Deutschland genauso wie in Japan und USA.
Im Gelände des AKW Fukushima lagern mehr als 11.000 verbrauchte Brennelemente. Aufgrund ihrer Wärmeabgabe müssen sie 4 bis 5 Jahre im Abklingbecken gekühlt werden, denn der Nachzerfall der Spaltprodukte setzt Wärme frei. In Fukushima lagern aber bis zu 15 Jahre alte Brennelemente, denn Endlager werden noch nirgends auf der Erde beherrscht. Zusätzlich wurden auch noch neue, zum Einbau vorgesehene Elemente dort gelagert. In den Abklingbecken der havarierten Reaktoren 1 bis 4 befinden sich [1]
Gebäude | Verbrauchte Elemente | Neue Elemente |
Block 1 | 292 | 100 |
Block 2 | 587 | 28 |
Block 3 | 514 | 52 |
Block 4 | 1331 | 204 |
Sammelabklingbecken | 6375 | 0 |
Allein im Abklingbecken von Reaktor 4 beträgt die Nachzerfallswärme derzeit rund 580 kW [1]. Die Abklingbecken befinden sich in 30 m Höhe in den oberen Etagen der Reaktorgebäude, die durch das Erdbeben vom 11. März 2011, den Tsunami und mehrere Explosionen schwer beschädigt wurden.
Atomreaktor Typ General Electric Mark I. Quelle [2]. 1: Brennstäbe im Reaktordruckbehälter (gelb), 27: Brennelemente im Abklingbecken 5, 26: Kran für Transport der Brennelemente. Nach der Kernschmelze haben in den Reaktoren 1 bis 3 die Kerne das Reaktordruckgefäß (gelb) verlassen, sie fressen sich derzeit durch das Betonfundament 20.
Der Zustand ist sehr gefährlich. In Block drei ist der darüber befindliche Kran in das Abklingbecken gestürzt. Die Reaktoren eins bis 4 sind Ruinen. Die Kühlung wird notdürftig aufrechterhalten. Lagervorrichtungen für Brennelemente befinden sich „in einem Zustand des Verfalls“ und liegen in Bereichen, die sie „für kommende seismische Ereignisse verwundbar machen“ [1]. Tepco bestätigt Risse, erklärt aber: „Die maximal gemessene Rissbreite betrug 0,3 Millimeter und die festgestellten kleinen Risse sollten keine wesentliche Auswirkung auf die Stabilität des Gebäudes haben.“ Meldungen, das Gebäude habe sich durch Unterspülung bereits geneigt, werden von Tepco bestritten.
Am 8.12.2012 fiel die Pumpe des Abklingbeckens in Block 4 aus. Im März 2013 kam es über 2 Tage zum Ausfall des Kühlsystems der Abklingbecken bei Block eins, drei und vier. Am Freitag 5.4.2013 fiel diese Kühlung bei Block drei über drei Stunden aus.
Bei längerem Ausfall der Kühlung und Verdampfen des Kühlwassers werden sich die dort gelagerten Brennelemente übermäßig erhitzen. Bei ca. 800 °C wird die Zirconium-Legierung der Hüllrohre der Brennelemente (Zircaloy) mit Wasserdampf zu Zirconiumoxid und Wasserstoff reagieren und sich in kurzer Zeit ein explosives Knallgasgemisch bilden. Trockene Brennstäbe können in Brand geraten, es wird eine enorme Menge an Radioaktivität freigesetzt. Die in den verbrauchten Brennelementen vorhandenen Spalt- und Brutprodukte werden freigesetzt. Nach Lars-Olov Höglund, der zehn Jahre lang Chefkonstrukteur der Forsmark-Atomkraftwerke des Vattenfall-Konzerns war, kann es sogar zum Einsetzen einer „unkontrollierten Kettenreaktion“ kommen [1].
Robert Alvarez, ehemals politischer Berater des Ressortleiters und Vize-Ressortleiters für nationale Sicherheit und Umwelt beim US-Energieministerium, zeigt die Gefahr auf: Die gesamten im Komplex Fukushima gelagerten Brennelemente „enthalten ungefähr 327 Millionen Curie langlebiger Radioaktivität, davon circa 132 Millionen Curie Cäsium-137, was fast 85 mal der Menge, die Schätzungen zufolge in Tschernobyl frei wurde, entspricht.“
Und weiter: „Die höchste Priorität ist die Sicherung des Inhalts von Abklingbecken 4. Dieses wurde strukturell beschädigt und enthält ungefähr die zehnfache Menge des in Tschernobyl freigesetzten Cäsium-137.“ [3]
Auch Mitsuhei Murata, ehemaliger japanische Botschafter in der Schweiz, fürchtet dramatische Schäden bei einem weiteren Erdbeben, dem die Ruine nicht standhält. „Botschafter Mitsuhei wies zunächst eindringlich darauf hin, dass durch ein Kollabieren des Reaktorgebäudes 4, in dem sich 1.535 Brennelemente 100 Fuß (30 Meter) über dem Boden befinden, nicht nur die Kontrolle über alle sechs Reaktoren verloren gehen würde, sondern auch das nur 50 m entfernt liegende allgemeine Abklingbecken für abgebrannte Brennelemente bedroht wäre. Darin befinden sich 6.375 Brennelemente. In beiden Fällen werden die radioaktiven Brennelemente nicht durch ein Containment geschützt, sie liegen äußerst gefährdet unter freiem Himmel. All diese Umstände können mit Sicherheit zu einer globalen Katastrophe führen, wie wir sie noch nie zuvor erlebt haben. Der Botschafter wies auf die unbeschreibliche Verantwortung Japans in Hinblick auf die ganze Welt hin. Eine solche Katastrophe hätte uns für Jahrhunderte im Griff.“ [3]
In den abgebrannten Brennstäben besonders von MOX-Brennelementen sind große Mengen an Americium (Am-241) aus dem Zerfall von Plutonium (Pu-241) enthalten. Am-241 ist eines der am meisten radiotoxischen Radionuklide überhaupt. Von Organismen aufgenommen ist die Radiotoxizität von Americium-241 je nach Ablagerungsort im Körper um bis zu 3 Größenordnungen größer als von Plutonium.
Weiterhin droht Gefahr von den sich durch das Betonfundament fressenden Kernen, von denen weitere Explosionen ausgehen können. Die enorme Gefährlichkeit der Atomruine wird derzeit unterschätzt. Alvarez hat wiederholt darauf hingewiesen, dass auch in amerikanischen Atomkraftwerken vergleichbare Mengen an Brennelementen gelagert sind, einige stehen in USA in Erdbebengebieten. Auch in deutschen Reaktoren werden die Abklingbecken als „Zwischenlager“ missbraucht. Das Festhalten an der Atomtechnologie ist unverantwortlich. Alle Atomkraftwerke weltweit müssen abgeschaltet werden.
[1] http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/fukushima-brennelemente-in-abklingbecken-bedeuten-gefahr-a-831078.html
[2] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Reaktor.svg, freigegeben unter GFDL
[3] http://www.afaz.at/index_fuku.html#jump14, Übersetzung durch die Arbeitsgemeinschaft für Atomkraftfreie Zukunft (AFAZ) Österreich