Rolf Bertram, Rede zum FUKUSHIMA GEDENKTAG 11.03.23

„Du kannst es nicht sehen. Du kannst es nicht schmecken. Du kannst es nicht fühlen. Und es ist niemals vorbei.“ (Worte von einer Mutter in Sorge um ihre Kinder nach der Kernschmelze im Reaktor von Harrisburg 1979)

Betroffen sind vor allem die Kinder, die Kleinsten… die Ungeborenen.

Auch die fürsorglichste Mutter, der fürsorglichste Vater kann das nicht verhindern: dagegen gibt es kein Medikament und keine Therapie.

In FUKUSHIMA ist Radioaktivität in die Atmosphäre und ins Meer gelangt – die Menge ist nach wie vor unbekannt. Die in Japan offiziell genannten Messwerte über die radioaktive Verseuchung von Luft, Land und Wasser (zum Teil von TEPCO stammend) dienen nur der Beruhigung – mit dem tatsächlichen Sachverhalt hat das nichts zu tun. Denn den kennt bis zur Stunde niemand!

Auch in Jahrzehnten wird es nicht möglich sein, genaue Daten zu erlangen.

Die Folgen der bleibenden Kontamination des Bodens sind überhaupt noch nicht bedacht. Die vielerorts in Japan durchgeführten Dekontaminationsmaßnahmen“-  gemeint ist die Abtragung der radioaktiv verseuchten oberen Bodenschichten – sind sinnlos, weil der radioaktiv verseuchte Boden dann wo anders abgelagert wird (z.Zt. etwa 40 Millionen „schwarze Säcke“).

Ebenfalls Millionen Kubikmeter verseuchtes Kühlwasser lagert in Tausenden von riesigen Tanks – viele sind bereits leck! Nach dem Willen von TEPKO (Betreiber), abgesegnet durch die Regierung, soll alles in den Pazifik geleitet werden. Durch Wind, Wellen und Meeresströmungen wird es überall verteilt.

Die Folgen sind für viele Menschen immer noch unbegreiflich. Sie stehen geschockt und ängstlich vor den nicht endenden Katastrophenmeldungen.

Das verständlich zu machen, habe ich mir zur Lebensaufgabe gemacht! Diese Aufgabe hatte ich mir jedoch einfacher vorgestellt. Wie soll ich meinen Nachbarn, meinen Freunden, ja sogar meiner Familie erklären,

– dass freigesetzte Radioaktivität noch nach Jahrtausenden in der Lebenswelt irreparable Schäden verursacht

– dass es sich hier um Ereignisse handelt, die es noch nie in der Menschheitsgeschichte gegeben hat.

Mit der Möglichkeit, Radioaktivität zu erzeugen, sind wir in ein neues Zeitalter der Menschheitsgeschichte eingetreten!

In ein Zeitalter, in dem es erstmals möglich ist, dass die Menschen sich selbst komplett ausrotten! Und dass die gesamte Lebenswelt auf diesem Planeten bis hin zu den Kleinstlebewesen und Pflanzen zur Disposition steht!

Wie soll ich erklären, dass Orte, an denen sich Atomkatastrophen ereignen, für alle Zeiten unbewohnbar bleiben?

Wie soll ich erklären, dass es bei den Folgen der Radioaktivität um Zeiträume geht, die sich niemand mehr vorstellen kann?

Wohin führt diese Unglaublichkeit und die Unvorstellbarkeit?

Ich werde immer wieder gefragt: „Auf welche Informationen können wir uns denn noch verlassen?“

Mein Zorn auf die Verursacher dieser lebensbedrohenden Situation ist geblieben. Kein blinder Zorn – ein Zorn, aus dem ich Aktivität entwickle.

Wer sind diese Verursacher? Sind das einzelne machtvolle Figuren? Oder ist es ein ausgeklügeltes System, das aus Habgier und mit illegalen Geschäften die schwerwiegenden Folgen für die gesamte Lebenswelt in Kauf nimmt?

Es sind nicht nur die Betreiber – es sind auch die Politiker, die diese erkennbaren Folgen in Kauf nehmen und fördern (auch hier bei uns).

Inzwischen wird deutlich, dass die gegenwärtige Atomtechnologie und das dahinterstehende Kapital mit ihrem hochwirksamen Heer von Lobbyisten das Leben auf diesem Planeten nicht nur bedrohen, sondern bereits nachhaltig verändert haben! Und das ohne Not: es war zu keinem Zeitpunkt erforderlich, AKWs- zu errichten.

Beispiel:

„Um mit ATOMENERGIE nur 10 % der heutigen CO2- Emissionen bis 2050 zu senken, müssten bis dahin 2184 neue AKW, je 1GW neu gebaut werden, also jeden Monat etwa 8 (gefährlich, teuer). Der anfallende Atommüll strahlt über eine Million Jahre und würde 33.000 Generationen belasten.“ (Energy Watch Group)

Immer mehr Menschen fühlen diese Bedrohung – immer mehr Menschen solidarisieren sich mit den Betroffenen – bereits jetzt sind es Millionen – und es werden immer mehr. Der Widerstand gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen wächst.

Wir dürfen nicht warten bis Enkel und Urenkel uns einmal vorwerfen und fragen:

Warum habt ihr nichts getan – Es war doch alles bekannt?

Auf was habt ihr denn gewartet? War Euch Harrisburg, Fukushima und Tschernobyl noch nicht genug?

Was uns bleibt sind ständige Appelle:

Schaut nicht weg!       – Erkennt die Gefahr!  – Macht mit!  

Eine Alternative zu unserem andauernden WIDERSTAND gibt es nicht. Wir können nur immer wieder versuchen, klarzumachen, um was es hier geht: Es geht darum, diesen Planeten lebenswert zu erhalten.

Die Sorge um unsere Nachkommen, der Zorn auf die Betreiber dieser menschenverachtenden Technik und der Mut zum Widerstand, diese Kombination schweißt uns zusammen.

Wir geben nicht auf!

Ich bin überzeugt, dass wir Erfolg haben werden.

Zum Schluss ein Spruch, der mich seit 60 Jahren immer wieder umtreibt und antreibt

„Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv!“


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